Viticulture (Essential Edition) ist ein Spiel für 1-6 Spieler ab 12 Jahren von Jamey Stegmaier, Alan Stone und Morten Monrad Pedersen, das bei Feuerland erschienen ist. In Viticulture (Essential Edition) schlüpfen die Spieler in die Rolle von Winzern in der Toscana. Das Spiel erstreckt sich über mehrere Runden, wobei jede Runde für ein Jahr steht. Pro Runde verteilen sich die Aktionsmöglichkeiten der Spieler auf die vier Jahreszeiten des jeweiligen Jahres. Die Spieler pflanzen Reben in ihren Gebieten, sie ernten und verkaufen ihre Trauben, sie keltern verschiedene Weinsorten, errichten Bauwerke wie zum Beispiel eine Windmühle, ein Cottage oder Weinkeller, die ihnen verschiedene dauerhafte Vorteile im Spiel einbringen, sie empfangen Besucher, die ihnen kurzfristige Boni oder Vergünstigungen verschaffen, oder bieten Weintouren an. Ziel des Spiels ist es, durch all diese Aktionen insgesamt mindestens zwanzig Siegpunkte zu erreichen (Bild 1)
Spielablauf
Vor Beginn des Spiels bekommt jeder Spieler zunächst eine „Mama-“ und eine „Papa-Karte“. Auf diesen Karten sind die Gutsfrau und der Gutsherr abgebildet, die dem Spieler eine jeweils individuelle Kombination an Startressourcen verschaffen, die aus einem großen Arbeiter, zwei kleinen Arbeitern und zusätzlich Besucherkarten, Lira oder Bauwerken bestehen (Bild 2).
Jede Runde des Spiels beginnt mit der Frühlingsphase, in der die Spieler reihum, beginnend beim Startspieler, einen Marker in ihrer Spielerfarbe auf eines der sieben Felder der Reihenfolge-Leiste des Spielbretts stellen. Sie erhalten dadurch einen jeweils unterschiedlichen Bonus und legen gleichzeitig fest, zu welcher Zeit sie in dem Jahr aufzustehen beabsichtigen (Der Marker ist deshalb auch sinnigerweise als Hahn dargestellt). Sie legen also fest, zu welchem Zeitpunkt sie ihre Arbeiter in jeder Jahreszeit dieses Jahres auf das Spielfeld bringen werden.
In der Sommerphase haben die Spieler die Möglichkeit, bestimmte Aktionen durchzuführen, die ausschließlich für den Sommer reserviert sind. Diese sind auf dem Spielbrett durch die gelbe Einfärbung der Aktionsfelder auf der linken Seite des Spielbretts zu erkennen. Die Spieler können im Sommer:
eine Rebenkarte ziehen,
eine Rebe auf einer der drei Gebiete ihres Weinguts pflanzen, indem sie eine Rebenkarte auf das gewünschte Gebiet legen, wo sie dann für den Rest des Spiels verbleibt,
ein Bauwerk errichten, nachdem sie die Kosten dafür bezahlt haben,
eine Weintour anbieten und dafür Lira erhalten,
eine Sommerbesucher-Karte in ihrem Besitz ausspielen und ihren Effekt nutzen, wobei die Vorbedingungen für das Ausspielen einer solchen Karte beachtet werden müssen, oder
mindestens eine Traube aus ihrer Weinpresse verkaufen beziehungsweise alternativ eines ihrer Gebiete zum angegebenen Preis kaufen oder verkaufen.
Im Spiel können während der Sommerphase als eine Aktion ganz unterschiedliche Bauwerke errichtet werden, die den Spielern verschiedene Vorteile bringen:
ein Spalier, das für bestimmte Rebsorten vonnöten ist,
eine Windmühle, die einen Siegpunkt für maximal eine Pflanzaktion pro Jahr erbringt,
eine Bewässerung, die für andere besondere Rebsorten benötigt wird,
ein Gespann, das als zusätzliches Einsatzfeld einmal pro Jahr genutzt werden kann, um eine gepflanzte Rebenkarte zurück auf die Hand zu nehmen oder ein Gebiet statt im Winter schon im Sommer zu ernten,
eine Weinprobe, die einmal pro Jahr einen Siegpunkt erbringt, wenn der Spieler eine Weintour anbietet und zu dieser Zeit mindestens einen Wein oder Sekt in seinem Weinkeller hat,
einen zusätzlichen mittelgroßen oder großen Keller, welche die Option bieten, höherwertige Weine, Rosé-Weine oder Sekt herzustellen und zu lagern, und
ein Cottage, durch das im Herbst zusätzliche Besucherkarten gezogen werden dürfen (Bild 3).
In der Herbstphase können die Spieler in Zugreihenfolge je eine Sommer- oder Winterbesucher-Karte ziehen (beziehungsweise zwei, wenn sie ein Cottage gebaut haben), und deren Vorteile nutzen.
Die Winterphase, die sich daran anschließt, bietet wieder eine Fülle an Einsatzmöglichkeiten für Arbeiter diesmal auf den blau eingefärbten Aktionsfeldern der rechten Seite des Spielbretts. Die Spieler können hier:
eine Weinbestellung vom entsprechenden Kartenstapel ziehen,
ein Gebiet ernten und die angegebene Menge an Trauben in ihre Weinpresse legen,
einen neuen Arbeiter für vier Lira ausbilden, der im nächsten Jahr genutzt werden kann,
Winterbesucher-Karten ausspielen und deren Effekte nutzen,
bis zu zwei Weine herstellen, indem sie die roten und weißen Traubenmarker in ihrer Weinpresse auf die entsprechenden Felder in ihrem Weinkeller verschieben, oder
eine Weinbestellung erfüllen, indem sie Weine mit dem erforderlichen Wert auf der Bestellungskarte aus ihrem Weinkeller entnehmen. Die Erfüllung von Weinbestellungen erbringt Siegpunkte und einen Überschussertrag an Lira, der auf einem entsprechenden Ertragsrondell auf dem Spielplan abgetragen wird und am Ende jeder Runde als Einkommensquelle in der angegebenen Höhe dient.
Die Aktionsfelder sind je nach Spielerzahl begrenzt auf ein bis drei Einsetzfelder. Im Solo- oder Zweipersonenspiel kann zum Beispiel nur das jeweils linke Einsetzfeld pro Aktion genutzt werden. Entscheidet sich ein Spieler für die Nutzung einer Aktion, blockiert er diese also für den anderen Spieler. Jeder Spieler besitzt jedoch einen großen Arbeiter, der als seine Spezialfähigkeit die Möglichkeit bietet, einmal pro Runde ein bereits besetztes Aktionsfeld zu nutzen.
Am Ende des Jahres reifen die Trauben und Weine der Spieler. Dazu wird der Wert der entsprechenden Marker in den Weinpressen und -kellern der Spieler um 1 erhöht. Anschließend nehmen die Spieler ihre Arbeiter vom Spielfeld, erhalten ihr Rundeneinkommen, der Startspielerstein wechselt gegen den Uhrzeigersinn und ein neues Jahr beginnt. Der Spieler, dem es gelingt, zwanzig Siegpunkte zu erreichen, läutet das Spielende ein. Diese letzte Runde wird noch zu Ende gespielt. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt dann das Spiel. Bei Gleichstand wird zusätzlich der Reihe nach die Geldmenge, der Wert der eingelagerten Weine und der Wert der Trauben in den Weinpressen der Spieler gewichtet.
Viticulture (Essential Edition) solo
Viticulture (Essential Edition) verfügt ähnlich wie Gaia-Project oder Scythe über eine sogenannte „Automa-Variante“, die wieder von der Automa-Factory konzipiert wurde. (Morten Monrad Pedersen, der Chef der Automa-Factory, ist deshalb erstmalig auch als Mitautor des Spiels auf der Schachtel erwähnt). Der Automa ist ein Dummy-Spieler, der durch ein spezielles Kartendeck gesteuert wird (Bild 4).
In jeder Sommer- und Winterphase wird eine Automakarte gezogen. Diese Karte bietet Informationen darüber, welche Aktionen der betreffenden Jahreszeit mit Hilfe der Arbeiter des Automa belegt werden. Der Automaspieler führt die entsprechenden Aktionen nicht aus, sondern blockiert lediglich die jeweiligen Aktionsfelder.
Die sieben Felder der Reihenfolge-Leiste wurden zu Beginn des Spiels mit je einem Glasmarker versehen. Wenn der Spieler in der Frühlingsphase seinen Hahn einsetzt, kann er dies nur dort, wo sich ein Glasmarker befindet. Der entsprechende Glasmarker wird anschließend entfernt. Die Glasmarker sind so gleichzeitig ein Timer. Sobald sich nach der siebten Runde kein Glasmarker mehr auf der Reihenfolge-Leiste befindet, endet das Spiel. Der Spieler gewinnt, wenn er mehr als zwanzig Siegpunkte erreicht. Das Solospiel kann auf verschiedenen Schwierigkeitsstufen absolviert werden, indem zum Beispiel ein achtes Jahr hinzugefügt wird oder der Spieler bei drei Siegpunkten startet. In einer agressiven Variante des Solospiels muss der Spieler dann auch noch in jeder Runde eine vorgegebene Mindestpunktzahl erreichen. Gelingt ihm dies auch nur in einer Runde nicht, verliert er.
Fazit
Viticulture (Essential Edition) ist eines der besten Worker-Placement-Spiele, die es auf dem Markt gibt. Die Essential Edition fügt einige Elemente der Tuscany-Erweiterung der ersten Auflage hinzu, macht das Spiel noch vielfältiger und beseitigt mit der Veränderung der Schlusswertung und der Ergänzung des großen Arbeiters auch zwei maßgebliche Kritikpunkte an der ersten Edition des Spiels. Die deutsche Version wurde zusätzlich von Uwe Rosenberg redigiert. Er hat den Regeltext des Spiels nochmal klarer gefasst und ist außerdem für die ausführliche Beschreibung der Kartenfunktionen verantwortlich.
Das Spiel erfindet das Genre der Worker-Placement-Spiele nicht neu, kombiniert aber bekannte Elemente zu einem sehr runden, flüssigen Spielerlebnis mit mittlerer Komplexität, das auch Kennerspieler begeistern dürfte. Das Spiel weiß außerdem thematisch zu überzeugen, nicht nur, weil das Thema relativ unverbraucht ist, sondern auch, weil die einzelnen Produktionsschritte innerhalb eines Weinguts spielerisch sehr gut umgesetzt wurden und die Spieler sich deshalb sehr gut in ihre Rolle als Winzer einfinden können.
Viticulture (Essential Edition) ist darüber hinaus sowohl optisch als auch haptisch ein Leckerbissen. Das Material ist sehr hochwertig, die Grafik des Spielbretts und der Karten sehr stimmungsvoll und die Holzsteine nicht nur einfache Würfel, sondern detailliert modellierte Figuren und Gebäude. Es gab zwar einen kleinen Produktionsfehler bei den Gebietskarten in meiner Ausgabe des Spiels, der aber mittlerweile behoben sein soll.
Das Spiel bietet vielfältige Entscheidungsoptionen und spielt sich auch im Solomodus jedes Mal anders. Es ist allerdings eher taktisch als strategisch, da die Besucher- und Weinbestellungskarten dem Spieler eher kurzfristige Entscheidungen abverlangen und auch das Blockieren der Aktionsfelder durch Mitspieler oder den Automa es erforderlich macht, einen Plan entsprechend zu verändern. Mit den Besucherkarten geht auch ein nicht zu unterschätzendes Glücksmoment einher, da manche von ihnen eher bei Spielbeginn und andere eher am Ende des Spiels von Nutzen sind. Wenn man die falschen Karten zieht, kann das durchaus die entscheidenden Punkte kosten.
Das Gesamtpaket aus ansprechendem Material, perfekt verzahnten thematischen Mechanismen und Variabilität des Spielablaufs machen Viticulture (Essential Edition) allerdings – auch bei nüchterner Betrachtung – zu einer runden Sache für Vielspieler und zu einer klaren Empfehlung.