Agricola

Agricola Titel

Agricola ist ein Spiel für 1-5 Spieler ab 12 Jahren und bei Lookout-Spiele erschienen. In Agricola sind die Spieler Bauern im Europa des 17. Jahrhunderts. Sie bewirtschaften ihre Höfe, indem sie ihre Äcker pflügen, Getreide und Gemüse anbauen, ernten und Viehzucht betreiben. In der sehr empfehlenswerten Erweiterung „Die Moorbauern“ kommen dann noch Sonderaktionen wie Torfstechen, Brandroden, Holzfällen und ein Pferdemarkt hinzu. Im Laufe des Spiels renovieren die Spieler außerdem ihre anfängliche Holzhütte zu einer Lehmhütte und später zu einem größeren Steinhaus und sorgen für Nachwuchs, was ihnen zusätzliche Zugmöglichkeiten verschafft. Das Spiel bietet zwei Schwierigkeitsgrade: Eine Familienversion und eine komplette Version des Spiels. In der Familienversion gibt es nur die genannten Basisaktionen und in der kompletten Version kommen insgesamt 308 Ausbildungs- und Anschaffungskarten hinzu, die den Spielern in jeder Partie unterschiedliche Startvoraussetzungen verschaffen. Es gewinnt der Spieler, der am Spielende den schönsten und ausgebautesten Hof besitzt, für den es dann auch die meisten Siegpunkte gibt.

In dieser Rezension beziehe ich mich auf die ältere Auflage von Agricola. Aktuell gibt es zwei Neuauflagen des Spiels im Handel, ein Familienspiel und ein Kennerspiel. In den wesentlichen Spielabläufen ähneln sich die alte und die neuen Versionen, es gibt allerdings auch einige Veränderungen: So wurden beispielsweise die Spielpläne und die Karten in den Neuauflagen überarbeitet. Außerdem ist die neue Kennerspiel-Version nur für 1-4 Spieler. Es gibt allerdings eine Erweiterung, mit der man das Spiel jetzt sogar mit bis zu 6 Personen spielen kann.

Spielablauf

Das Spiel geht über 14 Runden. Zu Beginn starten die Spieler mit zwei Personensteinen, dem Bauern und seiner Frau, und einer einfachen Holzhütte mit zwei Räumen (Bild 1).

Agricola Start-Hofplan
Bild 1


Jede Person kann pro Runde eine Aktion durchführen. Diese Aktionen wählen die Spieler zum einen aus einer festen Zahl von Aktionsfeldern, die auf dem Spielplan aufgedruckt sind und in Abhängigkeit von der Spielerzahl variieren. Zum anderen wird zu Beginn jeder Runde eine weitere Aktionskarte aufgedeckt, wodurch sich der Aktionsspielraum der Spieler im Laufe der Partie ständig erweitert (Bild 2).

Agricola Spielplan
Bild 2


Nach der Aktionsphase werden diejenigen Aktionsfelder aufgefüllt, auf denen Waren verfügbar sind. Dies geschieht jede Runde, auch wenn solche Aktionsfelder in der Vorrunde nicht geleert wurden. Verfügbare Waren sind die Baustoffe Holz, Lehm, Stein und Schilf, die Rohstoffe Weizen und Gemüse und die Tierarten Schaf, Rind und Wildschwein. Die Spieler setzen reihum je einen Personenstein auf ein Aktionsfeld und die jeweilige Aktion wird sofort ausgeführt. Diese Aktion ist dann für diese Runde blockiert. Nachdem alle Personensteine eingesetzt wurden, kehren sie auf ihren jeweiligen Hof zurück und die Runde ist beendet.

Die Spieler müssen sich beim Ausbau ihrer Höfe um drei Bereiche kümmern: Der erste Bereich ist der Hausbau und die damit verbundene Familienplanung. Um seine Hütte zu vergrößern, ist am Anfang Holz und Schilf vonnöten, das auf den jeweiligen Warenfeldern erhältlich ist. Sobald ein Spieler fünf Holz und zwei Schilf besitzt, kann er die Aktion „Hausbauten“ nutzen und ein weiteres Holzhüttenplättchen an seine bestehende Hütte anbauen. Ein weiterer Raum ist die Vorbedingung dafür, dass der Spieler ab der fünften Runde die Aktion „Familienzuwachs“ nutzen darf und dann ab der Folgerunde einen zusätzlichen Personenstein für seine Aktionen nutzen kann. Der Spieler hat ab der fünften Runde ebenfalls die Möglichkeit, seine Holzhütte in eine Lehmhütte und im weiteren Verlauf des Spiels in ein Steinhaus zu renovieren, wenn er die dafür nötigen Ressourcen Schilf, Lehm und Stein bezahlen kann.

Der zweite Bereich ist der Ackerbau. Er besteht aus mehreren Schritten, die aufeinander aufbauen:

  • Zunächst muss ein Acker gepflügt werden, indem das entsprechende Aktionsfeld besetzt und anschließend ein Ackerplättchen auf dem Hofplan platziert wird.
  • Als zweiten Schritt müssen sich die Spieler Getreide oder Gemüse auf den entsprechenden Aktionsfeldern besorgen.
  • Getreide oder Gemüse werden dann über die Aktion „Aussäen“ auf die gepflügten Ackerfelder gelegt.
  • Danach werden auf das betreffende Ackerfeld zwei weitere Getreide oder ein weiteres Gemüse gelegt, wodurch ihr Wachstum auf den Feldern verdeutlicht werden soll.
  • In den Erntezeiten, die in regelmäßigen Abständen stattfinden, kann sich der Spieler von jedem seiner Äcker einen Warenstein nehmen. Leere Äcker können in einer späteren Aktion wieder besät werden.

Der dritte Bereich ist die Viehzucht. Die verschiedenen Tierarten kommen durch entsprechende Aktionsfelder ins Spiel, wobei der Spieler sich alle Tiere auf dem Aktionsfeld nimmt, das er besetzt hat, und sie auf seinen Hofplan stellt. Damit die Tiere nicht weglaufen, muss er allerdings vorher für die Einzäunung seiner Hoffelder gesorgt haben, die dadurch zu Weiden werden. Mit der Aktion „Zäune bauen“ kann ein Spieler pro einem Holz einen Zaun bauen. Der Spieler hat insgesamt 15 Zäune zur Verfügung. Auf einer Weide können zwei Tiere der gleichen Art untergebracht werden. Mit dem Bau von Ställen kann der Spieler diese Zahl verdoppeln. Außerdem kann ein Tier in der Hütte als Haustier gehalten werden (Bild 3).

Agricola Bebauter Hofplan
Bild 3

 

In den Erntezeiten müssen die Spieler ihre Familien ernähren. Für jedes erwachsene Familienmitglied sind dann zwei Nährwerte nötig, beziehungsweise ein Nährwert für jedes neugeborene Familienmitglied. Nährwerte erhalten die Spieler durch bestimmte Aktionsfelder wie zum Beispiel „Fischfang“ oder „Tagelöhner“. Zusätzlich bringen Getreide und Gemüse im eigenen Vorrat je einen Nährwert. Der Nährwert dieser Ressourcen kann erhöht werden, wenn man sie beispielsweise durch den Einsatz einer Anschaffung wie dem Lehmofen oder der Feuerstelle veredelt. Diese „Großen Anschaffungen“ liegen neben dem Spielplan aus und sind für alle Spieler gegen Zahlung bestimmter Ressourcen verfügbar (Bild 4).

Agricola Große Anschaffungen
Bild 4


Mit einem Ofen können dann auch die Tiere auf den eigenen Weiden in Nährwerte umgewandelt werden. Eine ausreichende Zahl an Nährwerten zu besitzen, ist ein wichtiges Ziel im Spiel. Hat ein Spieler nicht genügend Nährwerte für alle seine Familienmitglieder, muss er nämlich betteln gehen und erhält eine Bettelkarte pro fehlendem Nährwert, was ihm am Ende des Spiels je drei Minuspunkte einbringt (Bild 5).

Agricola Bettelkarte
Bild 5



In den Erntezeiten vermehren sich dann noch die Tiere auf den Weiden der Spieler. Für je zwei Tiere der gleichen Art bekommen die Spieler ein Jungtier, allerdings nur, wenn sie es auf ihren Höfen unterbringen können.

Im kompletten Spiel erhält jeder Spieler zusätzlich je sieben kleine Anschaffungskarten und sieben Ausbildungskarten, die zufällig verteilt werden. Die Karten sind jeweils Teil eines einfachen, komplexen oder interaktiven Decks und setzen unterschiedliche Akzente im Spiel, indem sie den Spielern einmalige oder andauernde Vorteile verschaffen und so verschiedene Strategien im Spiel unterstützen (Bild 6).

Agricola Kleine Anschaffungen + Ausbildungen
Bild 6


Um sie auszuspielen, müssen die Spieler zunächst das entsprechende Aktionsfeld besetzen und bei den kleinen Anschaffungen dann noch unterschiedliche Vorbedingungen erfüllen und Ressourcen bezahlen. Bei den Ausbildungen kommen dann oft noch Kosten von ein oder zwei Nährwerten hinzu.

Am Ende des Spiels gibt es Punkte für alles: Gebäude, Äcker, Weiden, Waren, Tiere, eingezäunte Ställe, Räume in Hütten bzw. Häusern und für Personensteine. Dazu kommen noch die Punkte auf den kleinen und großen Anschaffungskarten. Abgezogen werden Punkte für ungenutzte Hoffelder, fehlende Weiden, nicht vorhandene Waren und Tierarten und für die erhaltenen Bettelkarten. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten.

Agricola solo

Das Solospiel von Agricola wird ganz normal nach den Mehrpersonenregeln gespielt. Der Spieler führt einfach eine Aktion nach der anderen durch. Im Unterschied zur Mehrspielerpartie startet der Spieler allerdings ohne Nährwerte und muss für jedes Familienmitglied drei Nährwerte in der Erntezeit aufbringen statt zwei. Auf das Aktionsfeld „3 Holz“ kommen in der Auffüllphase nur zwei Holz. Der Spieler muss eine Zielpunktzahl von 50 erreichen, um das Spiel zu gewinnen. In Folgepartien tritt er dann gegen seinen Highscore an. (Diejenigen, die auf einen Dummy-Spieler Wert legen, können sich einen solchen allerdings leicht selbst basteln: Dazu einfach 24 Spielkarten von 1 bis 24 durchnummerieren und angefangen bei den Karten 1 bis 11 für die erste Runde jeweils eine numerisch aufsteigende Karte für jede neue Runde ergänzen. Von dem gemischten Kartenstapel dann zunächst zwei, ab Runde 6 drei und ab Runde 10 vier Karten pro Runde für den Gegenspieler ziehen und die vorher durchnummerierten Aktionsfelder nach den Regeln des Mehrpersonenspiels mit den Personensteinen einer gegnerischen Farbe besetzen, wobei natürlich eine neue Karte gezogen werden muss, wenn die Nummer eines bereits besetzten Aktionsfeldes erscheint.)

Fazit

Agricola ist mittlerweile ein Klassiker unter den Worker-Placement-Spielen. Das Spiel ist der Gewinner des Deutschen Spielepreises 2008 und zahlreicher weiterer internationaler Spieleauszeichnungen. Es überzeugt vor allem durch die authentische Umsetzung des Themas in den verschiedenen Spielmechaniken und des zeitlichen Hintergrunds des Jahres 1670, das in der grafischen Gestaltung des Spielplans und der Karten wunderbar eingefangen wurde. Die 308 Ausbildungs- und Anschaffungskarten sind sehr individuell, mit viel Liebe zum Detail und mitunter auch sehr humorvoll gestaltet, wobei sie natürlich vor allem auch durch den cartoonartigen Zeichenstil von Klemens Franz geprägt sind. Inzwischen sind außerdem zahlreiche weitere thematische Decks veröffentlicht worden, die diesen Kartenpool erweitern, sodass die Variabilität von Agricola nahezu unendlich ist. Damit einher geht auch ein hoher strategischer und taktischer Variantenreichtum des Spiels: Die Standardaktionen variieren in jeder Partie wegen der verschiedenen Aktionskarten, die zu unterschiedlichen Zeiten ins Spiel kommen. Außerdem müssen die Spieler in jeder Partie aus den eigenen 14 Karten eine jeweils neue Strategie entwickeln, wobei die Synergieeffekte der Karten ebenso in die Planung einbezogen werden müssen wie das Timing ihres Ausspielens. Besonders die Notwendigkeit zur Ernährung der Familie macht aus Agricola eine unbarmherzige Optimieraufgabe, was manche Kritiker als zu restriktiv empfinden. Ich gehöre nicht zu ihnen, vor allem weil diese Zwänge enorm zu der thematischen Tiefe des Spiels beitragen und den Spieler förmlich spüren lassen, wie mühselig und entbehrungsreich das Leben zu dieser Zeit für einen einfachen Bauern gewesen ist.

Im Solospiel wird die Planbarkeit der Spielzüge dadurch erhöht, dass man seine Aktionen ungestört durchführen kann. Die strategische Komponente wird so zu Lasten der taktischen Anteile verstärkt. Dafür geht natürlich die Spannung verloren, die durch das Blockieren von Aktionsfeldern im Mehrpersonenspiel entsteht. Meine Dummyspieler-Variante schafft hier Abhilfe. Außerdem hat Agricola wie die meisten komplexen Spiele das Problem, dass es an Tempo verliert, wenn Grübler am Tisch sitzen, und dass man sich bei höheren Spielerzahlen auf ein langes Spiel einlassen muss. Aber dies sind nur kleine Kritikpunkte an einem ansonsten großartigen Spiel, das zu Recht im vorletzen Jahr eine Neuauflage durch den Verlag Lookout-Spiele erlebt hat und für das aktuell eine Deluxe-Version mit 1000 überarbeiteten Karten angekündigt ist.

Benotung
Benotung 9
9 von 10